Mit der Nutzung dieses Forums (dies beinhaltet auch die Regisitrierung als Benutzer) erklärt Sie sich mit unserer Datenschutzerklärung (https://www.chemiestudent.de/impressum.php) einverstanden. Sofern Sie dieses nicht tun, dann greifen Sie bitte nicht auf unsere Seite zu. Als Forensoftware wird phpBB verwendet, welches unter der GNU general public license v2 (http://opensource.org/licenses/gpl-2.0.php) veröffentlicht wurde.
Das Verfassen eines Beitrag auf dieser Webseite erfordert keine Anmeldung und keine Angabe von persönlichen Daten. Sofern Sie sich registrieren, verweisen wir Sie auf den Abschnitt "Registrierung auf unserer Webseite" innerhalb unserer Datenschutzerklärung.

2 Fragen zur elektrophilen aromatischen Subst.

Fragen rund um die organische Seite der Chemie

Moderator: Chemiestudent.de Team

Hanno

2 Fragen zur elektrophilen aromatischen Subst.

Beitrag von Hanno »

Hallo zusammen, ich habe zwei kleine Fragen, die ihr mir ganz bestimmt beantworten könnt :)

1. Wenn ich einen +M-Effekt ausübenden Substituenten habe (NR2 z.B.), so kann ich ja eine Doppelbindung vom Stickstoff zum Aromat bilden (es formal pos. laden) und eine formale neg. Ladung an ein C-Atom anbringen. Der Stickstoff müsste meines erachtens nach sp² hybridisiert sein und es dürfte keine Rotation um die Doppelbindung geben, da es sich ja um eine pi-Bindung handelt.

Im Clayden steht nun, dass eine substituierte Amidgruppe einen (wenn auch schwächeren) +M-effekt habe. Ein paar Seiten vorher steht auch, dass bei eben diesem Molekül eine Drehung der C-N Bindung stattfindet.
Wenn ich also annehme, dass eine pi Bindung zwischen dem C und dem N stattfindet, wie kann es dann eine Rotation geben?

2. Ich habe ein meta methoxynitrobenzol. Wo würde ich eine Substitution erwarten?
Ich denke, dass, von der methoxygruppe aus gesehen, sowohl die eine (nicht-zwischenstände) ortho-position und die para-position machbar wären. In den Übungen damals sagten wir, dass ortho auf Grund der sterischen Hinderung der Nitro-Gruppe wahrscheinlicher sei. Ich frag mich aber, ob die Nitrogruppe wirklich soviel größer ist, dass man diese Frage klar beantworten kann (die carbonylgruppe soll sterisch ja auch nicht anspruchsvoller sein als die methoxygruppe, laut Buch).


Ich steh gerad irgendwie auffem Schlauch und wär echt super dankbar, wenn ihr mir die beiden Fragen kurz beantworten könntet, da ich im Inet und in den Büchern nichts eingehenderes gefunden habe.

Vielen dank :)

Hanno
zonko

Beitrag von zonko »

Kleine Ausfuehrung zu Deiner ersten Frage:

Generell zu Doppelbindungen: Rotationen sind auch um Doppelbindungen moeglich. Lediglich ist dabei die Rotationsbarriere sehr hoch. Wenn die Barriere so hoch ist, dass eine Zersetzungsenergie (irgendein Bindungsbruch im Molekuel) geringer ist als die Barriere, wird logischerweise nie eine Rotation durch thermische Anregung stattinden, da Dir Deine Substanz vorher kaputtgeht.

Jetzt zu +M-Substituenten: Was Du da malst sind Mesomere Grenzformen. Die habe mit der Realitaet nichts zu tun. Die Realitaet ist eine Mischung dieser Grenzformen; man kann hoechstens durch eine quantenchemische Rechnung irgendwas kriegen, was der Realitaet recht nahe kommt.

Die Bindung des Aminosubstituenten hat _teilweise_ Doppelbindungscharakter. Die Rotationbarriere wird wohl etwas groesser sein als bei einer Einfachbindung, aber dennoch durch thermische Anregung ueberwindbar.

Des eigentliche Problem liegt natuerlich in der Lewis-Schreibweise: die ist nun mal eine Kruecke, aber es ist die beste Kruecke, die die Organiker haben und sie funktioniert ja auch in vielen Faellen. Du mustt nur im Hinterkopf behalten, dass es nur ein Modell ist und die Realitaet etwas komplexer aussieht.

Gruss zonko
alpha
Moderator
Moderator
Beiträge: 3568
Registriert: 26.09. 2005 18:53
Hochschule: Lausanne: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

Beitrag von alpha »

1. Dass die Bindung drehen kann, heisst nicht, dass sie ununterbrochen und schnell dreht. - Es ist ja auch nur ein partieller Doppelbindungscharakter - während dem Drehen ist da eben keine Doppelbindung und kein +M-Effekt, sozusagen.

2) Da die Nitrogruppe in para-Postition so ziemlich der schlechteste Fall ist, hätte ich jetzt auf die para-Postion zur Methoxy-Gruppe getippt: ortho zur Nitro ist machbar und ist sterisch schöner als zwischen Methoxy und Nitro. Insgesamt würde ich persönlich mich jedoch nicht wundern, wenn ein Gemisch herauskommen würde.


Grüsse
alpha
But it ain't about how hard ya hit. It's about how hard you can get it and keep moving forward.

Rocky Balboa
Hanno

Beitrag von Hanno »

Hey super, vielen dank euch beide! :)
Habt mir sehr geholfen!

Hanno
cyclobutan
Moderator
Moderator
Beiträge: 199
Registriert: 13.04. 2003 14:14
Wohnort: Marburg

Beitrag von cyclobutan »

Hallo,

ich denke die Lösung liegt auch darin, dass man den +M-Effekt eigentlich nur in den Zwischenprodukten bemerkt über deren höhere Stabilität. Der Anteil einer zwitterionischen Grenzstruktur mit C=N - Doppelbindung bei z.B. Anilin wird vernachlässigbar klein sein. Nicht aber im positiv geladenen sigma-Komplex: Da wird die C=N-Doppelbindungs-Grenzstruktur sicher einen erheblichen Anteil haben.

Daher die Vorhersage: Im zweiten Fall ist die NH2-Gruppe praktisch planar, im ersten abgeknickt und weitgehend "sp3"-ähnlich. Stimmt das so? Hat jemand Lust das zu rechnen oder nachzuschauen? :)


Viele Grüße,
cyclobutan
Quadratisch (naja fast), praktisch, ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Cyclobutan
zonko

Beitrag von zonko »

ich habe zufaellig vor laengerer zeit mal ein paar aromatische amine gerechnet (b3lyp/tzvp)-keine sigma-komplexe. bei unsubstituierten anilinen (NH2) war der stickstoff sichtbar pyramidal (aber weit vom idealen tetraeder entfernt), bei substituierten (NR2) fast perfekt planar.

bei den substituierten war das Pz-orbital vom N auch in den ring delokalisiert, bei unsubstituierten hab ich das damals nicht angeschaut.

meine rechungen waren teilweise fuer triazine als aromatische systeme, aber das sollte keinen unterschied machen.

richtig intressant waere natuerlich die unterschiede zwischen dem anilin und dem sigma-komplex anzuschauen, also wenn jemand langeweile hat...

gruss zonko
alpha
Moderator
Moderator
Beiträge: 3568
Registriert: 26.09. 2005 18:53
Hochschule: Lausanne: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

Beitrag von alpha »

Anilin nicht planar? - Hmm... Wenn man ganz poplige MM-Optimierungen durchführen sieht es zumindest perfekt planar aus. Werde in den nächsten Tagen wohl wirklich eine Rechnung starten, vielleicht auch von einem Zwischenprodukt um die Unterschieder zu sehen. - Sollte etwas Zeit und Langeweile haben, nur heute noch nicht, da ich morgen noch eine Prüfung zu labern habe...


Grüsse
alpha
But it ain't about how hard ya hit. It's about how hard you can get it and keep moving forward.

Rocky Balboa
alpha
Moderator
Moderator
Beiträge: 3568
Registriert: 26.09. 2005 18:53
Hochschule: Lausanne: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

Beitrag von alpha »

Also, ich habe mal ein paar Rechnungen gemacht, einige sind seltsamerweise verloren gegangen, ein paar neue sind noch am laufen.
Die gemachten Rechnungen habe ich auf dem Niveau B3LYP/cc-pVQZ durchgeführt.
Sie sagen erstens, dass im Anilin energetisch ein klein wenig (3.7 kJ/mol) günstiger ist, wenn es nicht planar ist, sondern fast tetraedrisch (CNH: 115°, HNH, 112°) .
Beim N,N-Dimethyl und auch schon beim N-Methyl-anilin ist die Vorzugskonformation planar.

Im Zwischenprodukt mit NO2+ in para-Postion ist auch das unsubstituierte Anilin planar, die C-N Bindung verkürzt sich um knappe 10 pm, während sich die N-H Binung um ca. 10 pm verlängern.

Jetzt habe ich noch Rechnungen auf B3LYP/6-31G* level am laufen (Zeitgründe...) erstens mit N-Trifluormethyl-Anilin, zweitens mit N-Hydroxy-Anilin und das Zwischenprodukt von N-Fluor-Anilin mit NO2+ in para-Position.

N-Fluor-Anilin ist ziemlich genau tetraedrisch gemäss den Rechnungen, deprotoniertes N-Hydroxy-anilin planar.

Das scheint soweit auch Sinn zu machen: Je elektronenreicher der Stickstoff ist, desto eher behält er sein freies Elektronenpaar, je elektronenärmer er ist, desto eher ist die Konjugation vorteilhafter.

Dass alle Rechnungen für die Gasphase durchgeführt wurden, braucht wohl kaum erwähnt zu werden, was also in Nitriersäure effektiv vorliegt, wage ich nicht zu behaupten, aber es geht ja auch eher um Trends, wie man so schön sagt...

Grüsse
alpha
But it ain't about how hard ya hit. It's about how hard you can get it and keep moving forward.

Rocky Balboa
zonko

Beitrag von zonko »

wow, schoen dass sich jemand fuer solche sachen zeit nimmt.
ich fands jedenfalls sehr informativ; jedenfalls schoen wenn die theorie mal so funktioniert wie sie soll.

gruss zonko
alpha
Moderator
Moderator
Beiträge: 3568
Registriert: 26.09. 2005 18:53
Hochschule: Lausanne: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

Beitrag von alpha »

Also... letzter Nachtrag: Auch im das positive Zwischenprodukt von N-Fluor-Anilin ist planar.

N-Hydroxyanilin scheint nicht planar zu sein, zumindest in der Gasphase, es sieht so aus, als würde das O-H mit dem freien Elektronenpaar des Stickstoffs wechselwirken wollen, eigentlich gar nicht soo unplausibel, auch wenn natürlich sehr gewinkelt...

Die Rechnungen mit N-CF3 Anilin sind nicht so schön: Die planare Variante scheint etwas weniger (ca. 2 kJ) stabil zu sein, als die nicht planare, welche jedoch nicht zu einem schönen konvergierenden Ende gerechnet wurde.

Grüsse
alpha
But it ain't about how hard ya hit. It's about how hard you can get it and keep moving forward.

Rocky Balboa
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste